Dies ist Teil 20 meiner neuen mehrteiligen Serie zur professionellen Hörbuchproduktion in Eigenregie. Ab sofort folgen wöchentlich alle weiteren Artikel, die von A bis Z erklären, wie man von der Idee zum fertigen Hörbuch in den Shops kommt. Alle Inhalte sind auch gesammelt als Buch und E-Book erhältlich. Sämtliche Links dazu finden sich auch noch einmal am Ende des Textes.
Klangbearbeitung für Hörbücher
Sind alle Fehler beseitigt, alle Pausen korrekt gesetzt und das Hörbuch damit fertig geschnitten, kann es an die Klangbearbeitung gehen. Wir wollen erreichen, dass es über die gesamte Laufzeit klanglich ausgewogen bleibt und der Hörer sich auf die Geschichte konzentrieren kann, statt sich zu fragen, warum die Stimme so dumpf klingt oder warum die S-Laute ständig sein Trommelfell zerfetzen. Dazu sollten wir uns als ersten Schritt einmal anhören, wie die Profis das machen und uns zum Vergleich Ausschnitte aus gut gemachten Hörbüchern anhören. Es lohnt sich, diese Ausschnitte immer wieder als Referenz während der Arbeit heranzuziehen und mit dem Stand der eigenen Arbeit zu vergleichen. Damit hat man ein Ziel vor Augen (oder besser vor Ohren) und kann gezielt am eigenen Material arbeiten. Im Großen und Ganzen sind während dieses Schrittes folgende Dinge zu tun: den Klang (Frequenzbereich) optimieren, die Lautstärke anpassen und gegebenenfalls unangenehme Laute auszufiltern oder abzumildern.
Der Equalizer als essenzielles Tool
Unser erstes wichtiges Werkzeug ist der Equalizer (EQ). Dieser erlaubt es uns, die einzelnen Teilbereiche des hörbaren Spektrums unabhängig von einander zu verstärken oder abzusenken. Zunächst können wir (sofern noch nicht am Mikrofon oder Interface geschehen) einen Hochpass (auch Low-Cut/LC oder HPF genannt) einschalten. Jeder EQ hat üblicherweise eine solche Schaltung. Den Filter setzen wir dabei auf einen Wert Zischen 60 und 100 Hertz. Darunter hat die menschliche Stimme kaum Anteile und es sind hauptsächlich tieffrequente Rumpelgeräusche zu finden, die wir keinesfalls in unserem finalen Hörbuch wollen. Als Nächstes kann man sich daran machen, die Unzulänglichkeiten des eigenen Aufnahmeraums (oder der Kabine) auszugleichen. Hat man etwa in Ermangelung einer anderen Möglichkeit in einer zu stark gedämpften Kabine aufgezeichnet, wird dem Material die Brillanz fehlen. Man kann dann mit einem sogenannten Shelf-Filter im Hochtonbereich (auch Treble genannt) nachhelfen. Als ersten Ansatzpunkt kann man mit einer Frequenz um 1-2 Kilohertz und 6 dB/Oktave Flanke starten und um 2-3 dB anheben. Einfach genau hinhören, wie sich die Stimme verändert und ob sie ab einem gewissen Punkt klarer und besser verständlich wird. Aber man sollte es nicht übertreiben, denn im Spektrum zwischen 2 und 5 Kilohertz ist das menschliche Ohr am empfindlichsten und eine zu starke Anhebung in diesem Bereich sorgt für eine Ermüdung des Ohrs. Auch das wollen wir dem Hörer nicht zumuten. Ist unsere Aufnahme dagegen generell eher zu basslastig und wummernd (etwa aufgrund des Raumes oder weil wir viel zu nah am Mikro waren), versuchen wir es mit einem Shelf-Filter im Bassbereich und starten als ersten Ansatzpunkt bei Frequenzen von 150 bis 300 Hertz und senken moderat ab.
Unerwünschte Resonanzen herausfiltern
Nun begeben wir uns gezielt auf die Suche nach den durch die Raumgeometrie verursachten Resonanzen im Material. Dazu benötigen wir dieses Mal keinen breit arbeitenden Shelf-Filter, sondern eine recht präzise einstellbarer Glockenkurve (Bell-Filter). Wir setzen den sogenannten Q-Wert (Filtergüte) auf das Maximum (das kann je nach EQ der Wert 10 sein oder auch 20) und stellen den Gain auf Maximum (mindestens +12 dB). Dann fahren mir mit dem Frequenzregler ganz sachte und langsam durch das Klangspektrum, bis uns plötzlich eine Resonanz „anspringt“. Man merkt es daran, dass der Klang übersteuert oder ein unangenehmes Quietschen/Dröhnen entsteht. Nun kehren wir die Verstärkung in eine Absenkung (-3 bis -9 dB) um und schwächen genau diese Frequenzen damit ab. So machen wir das mehrere Male, bis wir die schlimmsten Resonanzen entfernt haben. Am Ende ist es interessant, den EQ einige Male aus- und wieder anzuschalten, um den Vorher-Nachher-Vergleich zu haben. Wenn wir genau gearbeitet haben, wird das Ergebnis wesentlich angenehmer klingen als zuvor.
Kompression und Limiting
Der zweite elementare Aspekt der Nachbearbeitung ist die Anpassung der Dynamik, sprich der Lautstärkeverhältnisse. Wir wollen, dass alle Teile unseres Hörbuchs einwandfrei verständlich sind und nicht manche Passagen untergehen. Natürlich braucht ein Hörbuch in gewissen Grenzen auch lautere und leisere Passagen, etwa um unterschiedliche Artikulationen (vom Flüstern bis zum Schreien) abzubilden. Aber diese Unterschiede sollten moderat ausfallen und eher durch die Sprechweise deutlich werden. Weil Hörbücher auch gerne im Auto gehört werden, wo es einige Nebengeräusche gibt, sollte man die Dynamik generell beschränken. Dies machen wir mit zwei Werkzeugen, einem Kompressor und einem Limiter. Beide tun im Wesentlichen etwas sehr Ähnliches: Ab einem definierten Schwellwert (Threshold) beginnen sie das Signal abzuschwächen – und dies in einem vorher festgesetzten Verhältnis (Ratio, beispielsweise 2:1, 4:1 oder 10:1). Das sorgt dafür, dass Worte oder Silben, die zu laut sind, etwas leiser gemacht werden. Anschließend kann man den Pegel insgesamt anheben, was dafür sorgt, dass die Stimme sich besser von Umgebungsgeräuschen abhebt.
Voreinstellungen und Presets als Ausgansgpunkt
Als Erstes sollte man nachsehen, ob es unter den Voreinstellungen (Presets) solche für Sprache oder Gesang gibt. Diese sind eine gute Ausgangsbasis, um den Kompressor richtig zu justieren. Als Ratio kann 4:1 bis 10:1 empfohlen werden, je nachdem, wie aggressiv der Kompressor arbeiten soll. Sollte der Kompressor Einstellungen für Attack und Release (Zeiten, die die Arbeitsweise bestimmen) zulassen, können Sie die Attackzeit auf einen kleinen Wert von einer bis fünf Millisekunden stellen und den Release auf 50 bis 100 Millisekunden. Aber hören Sie einfach erst einmal genau hin, was gut klingt. Der Kompressor zeigt die Pegelreduktion in dB an. Hier sollten Sie darauf achten, es nicht zu übertreiben, weil die Stimme sonst schnell unnatürlich klingen kann: 3 bis 10 dB sind ein erster Anhaltspunkt. Mehr sollten es bei Sprache nicht sein.
Der Limiter als letztes Glied in der Kette
Ein Limiter ist die extreme Form eines Kompressors, er kappt den Pegel ab einem gewissen Wert und lässt keine lauteren Signale mehr durch. Das ist wichtig, um sicherzustellen, dass die eigenen Aufnahmen zu keinem Zeitpunkt übersteuern. Der Limiter wird vor allem im Mastering eingesetzt, um das Hörbuch auf einen festgesetzten Spitzenpegel zu bringen, der nicht höher als -6 dB liegen sollte. Dazu kann man mittels einer vorgeschalteten Verstärkung den Pegel soweit anheben, dass ein guter Mittelwert erreicht wird. Wie wir hier genau verfahren, wird im Abschnitt Mastering erklärt.
Das Buch zur Artikelserie
In diesem Buch, das als Taschenbuch, Ringbindung und E-Book erhältlich ist, habe ich alle relevanten Inhalte zur Hörbuchproduktion in Eigenregie zusammengefasst und mit Bildern illustriert.
Einem gut produzierten Hörbuch hört man nicht an, wie komplex der Produktionsprozess dahinter ist. Es soll auf mitreißende Art eine Geschichte erzählen, während die Technik ausgeblendet wird. Die vielen Schritte, die bei seiner Entstehung nötig sind, sollen im Hintergrund bleiben. Damit eine Produktion gelingen kann, müssen viele Faktoren zusammenkommen: passende Technik, eine gute Akustik, eine optimale Vorbereitung des Manuskripts, eine klare Aussprache und Betonung des Sprechers, eine präzise Nachbearbeitung und ein Mastering, das den Anforderungen der gängigen Shops und Portale entspricht. Will man dies als Autor selbst und ohne externe Dienstleister meistern, gilt es schon vor Beginn des Aufnahmen einige essenzielle Fragen zu klären und sich mit den Tücken der Audio-Produktion vertraut zu machen. Dieses Buch soll genau hierbei Hilfe leisten und als Leitfaden alle Grundlagen und Schritte von A bis Z auf verständliche Weise erklären und anhand von Beispielen verdeutlichen. Nach der Lektüre werden Sie fit sein, ins Abenteuer Hörbuchproduktion zu starten.