Hörbuch selbst produzieren: Teil 19 (Nachbearbeitung 1)

Dies ist Teil 19 meiner neuen mehrteiligen Serie zur professionellen Hörbuchproduktion in Eigenregie. Ab sofort folgen wöchentlich alle weiteren Artikel, die von A bis Z erklären, wie man von der Idee zum fertigen Hörbuch in den Shops kommt. Alle Inhalte sind auch gesammelt als Buch und E-Book erhältlich. Sämtliche Links dazu finden sich auch noch einmal am Ende des Textes.

Einführung zur Nachbearbeitung bei Hörbüchern

Die Software Sonarworks Reference korrigiert den in der Regel nicht linearen Frequenzgang von Kopfhörern. Sie erlaubt in der Studio-Edition auch das Kalibrieren der Abhörmonitore im Raum.

Die Nachbearbeitung von Hörbüchern (und im Grunde aller anderen Audio-Produktionen) gliedert sich in drei grobe Schritte: Schnitt (Editing), Tonmischung (Mixing) und Mastering (Letzter Schliff und finale Ausgabe im Wunschformat).

Der Punkt Tonmischung ist hier glücklicherweise nicht so umfangreich und komplex wie bei einer Musikproduktion, da man in der Regel nur eine Spur für die aufgezeichnete Stimme hat und nicht bis zu 200 wie bei einem umfangreich arrangierten Musikstück. Im Folgenden spreche ich daher eher von Klangbearbeitung und -optimierung.

Kopfhörer oder Lautsprecher für das Bearbeiten?

Im Bereich Technik haben wir eine Komponente ausgespart, die für die Audio-Produktion sonst jedoch elementar ist: die Lautsprecher (oder Monitore). Ich habe diesen deshalb keinen eigenen Abschnitt gewidmet, da es sich für die Hörbuch-Produktion in den eigenen vier Wänden eher anbietet, auf hochwertige Kopfhörer zu setzen. Warum? Gute Studio-Monitore sind nicht unbedingt günstig zu haben und erfordern außerdem eine akustisch aufwendigere Optimierung des Raumes, wenn sie ihr volles Potenzial entfalten sollen. Verzichtet man darauf, kann man nach dem Export eine böse Überraschung erleben, sobald man das eigene Hörbuch auf einem anderen Gerät abspielt. Der eigene Raum hat den Klang nämlich verfälscht und man hatte versucht, die Unzulänglichkeiten auszugleichen. Das führt dazu, dass das Hörbuch unter Umständen auf anderen Systemen dumpf, wummernd oder aber im anderen Extrem viel zu grell klingt. Mit guten Kopfhörern blendet man diese Fehler in der Raumakustik aus und kann relativ neutral arbeiten. Ich verweise an dieser Stelle noch einmal auf die Software Sonarworks Reference, die für eine Korrektur von Kopfhörer-Kennlinien sorgt (die Studio-Edition auch von Monitoren, wenn man sich entschließt, welche zu kaufen). Ein weiterer Aspekt spricht für die Kopfhörer (zumindest um den Klang des eigenen Hörbuchs darauf zu testen): Dies ist die Tatsache, dass sehr viele Menschen Hörbücher auf Kopfhörern anhören.

Tonschnitt und Fehlerkorrektur

Nach diesen ersten einleitenden Worten sind wir bereit, uns mit dem ersten wichtigen Schritt der Nachbearbeitung zu befassen: dem Schnitt. Als Erstes empfiehlt es sich, von der Projektdatei, in der man aufgenommen hat, eine Kopie zu erstellen, damit man jederzeit noch auf den Ursprungszustand und die Originalaufnahmen zurückgreifen kann, falls etwas schiefgeht. Noch einmal lege ich Ihnen regelmäßige Backups ans Herz, damit Sie im Falle eines Datenverlustes nicht zu viel erneut bearbeiten müssen.

Das gezielte Absenken eines Atmers in der Lautstärke mittels Clip-Gain-Funktion (hier exemplarisch in Studio One).

Das Ziel unseres Tonschnittes ist es, alles Unnötige wegzuschneiden, die Pausen auf eine angenehme Länge zu kürzen und unerwünschte Nebengeräusche, Atmer und andere Störeinflüsse zu eliminieren. Die meisten Audio-Programme besitzen eine Zoom-Funktion für die Wellenform des Audiosignals. Damit lässt sich die Ansicht vergrößern und es wird schneller offensichtlich, wo Atmer und Störgeräusche sind. Vor allem Atemgeräusche können vom Mikrofon unangenehm laut aufgenommen werden, weshalb wir sie ein wenig im Zaum halten müssen – selbst wenn wir sehr diszipliniert eingesprochen haben und uns bemüht haben, nicht allzu laut zu atmen. Alle Atmer völlig wegzuschneiden, kann jedoch unnatürlich wirken, weshalb ich dies nicht empfehlen würde. Stattdessen sollte man die Atmer, die am störendsten sind, in der Lautstärke absenken. Am sichersten ist es, alles von Hand zu editieren, sprich die störenden Atemgeräusche manuell leiser zu machen, indem man den Bereich selektiert (oder davor und danach schneidet) und den einzelnen Clip etwas leiser zieht.

Störgeräusche automatisch mit Plugins entfernen

Es gibt auch spezielle Plugins, die dies für einen übernehmen können und je nach Audio-Material sehr gut funktionieren. Diese sind beispielsweise DeBreath von Waves oder Breath Control aus der Izotope RX-Software. Beide Programme sind kostenpflichtig und es empfiehlt sich, bei ihrer Anwendung genau darauf zu schauen, ob sie nicht aus Versehen auch einmal etwas entfernen, was nicht entfernt werden sollte, so beispielsweise einen für die Verständlichkeit wichtigen Konsonant.

Ähnlich wie Atmer müssen auch Knackgeräusche, Klicks, Popps und andere Störungen entfernt werden, damit das Hörbuch am Ende ein klanglicher Genuss für den Hörer ist. Diese Geräusche können radikal herausgeschnitten werden. Sollte dadurch die Pause zwischen zwei Wörtern oder Sätzen zu kurz werden, kann man einen kleinen Bereich „Stille“ (genauer genommen das Grundrauschen des Raumes) von anderer Stelle kopieren und dort einfügen. Das verhindert, dass es auf einmal unnatürlich leer klingt, was vor allem mit Kopfhörern schnell auffallen würde.

Lautstärkeunterschiede des Materials anpassen

Tonschnitt, Lautstärkeanpassung und Überblendungen in Cubase.

Sollten einzelne Passagen wesentlich lauter oder leiser aufgenommen worden sein als andere, müssen sie in der Lautstärke angeglichen werden. Dazu einfach (wie oben bereits beschrieben) den Teil isolieren (vorne und hinten schneiden) und den „Gain“ (Verstärkung) des Clips erhöhen oder absenken, so dass er mit den Passagen davor und danach auf dem gleichen Niveau ist. Bei diesem Vorgehen ist es wichtig, dass die Audio-Software automatisch Überblendungen (Crossfades) erzeugt. Sollte sie dies nicht tun, können sie die Blenden manuell setzen. Jede Software bietet dazu in der Regel auch einen praktischen Shortcut (Tastenkombination, zum Beispiel Taste X). Fehlende Überblendungen äußern sich häufig in kurzen Knacksern, die es zu meiden gilt.

Am Ende jedes Kapitels oder nach längeren Szenen sollten Sie zwei bis drei Sekunden Pause lassen, so dass dem Hörer klar wird, es folgt ein neuer Abschnitts (der vielleicht an einem neuen Schauplatz oder nach einer gewissen Zeitspanne spielt). Auch sollte vor dem ersten Wort immer etwa eine halbe Sekunde Stille gelassen werden, da manche Abspielgeräte und Software-Player gelegentlich vorne etwas abschneiden. Durch den kleinen Vorlauf wird verhindert, dass womöglich die erste Silbe verschluckt wird.

Überlegungen zum Export der Kapitel

Sollten Sie Ihr Hörbuch kapitelweise in einzelne Projektdateien aufgeteilt haben, ist nun der Zeitpunkt, zu entscheiden, ob sie diese Kapitel im editierten Zustand exportieren und das gesamte Buch dann in einer großen Datei weiter bearbeiten wollen oder nicht. Das Arbeiten in einer großen Datei hat den Vorteil, dass man alle Einstellungen für Equalizer, Kompressoren, Limiter und dergleichen nur einmal vornehmen muss und nicht in allen Projektdateien separat. Das Ziel ist es, am Ende eine durchgängige Qualität und keine Schwankungen im Ton zu haben. Von daher würde ich dieses Vorgehen empfehlen. Ich lege dazu in meiner DAW auch Marker in der Zeitleiste an, mit der ich das Hörbuch in seine Kapitel (oder Szenen) unterteile. Dieses Vorgehen wird sich später bei der Ausgabe noch als sehr praktisch erweisen.

Das Buch zur Artikelserie

Hörbuch selbst aufnehmen: Profesionelle Eigenproduktion von A bis Z
Hörbuch selbst aufnehmen: Profesionelle Eigenproduktion von A bis Z.

In diesem Buch, das als Taschenbuch, Ringbindung und E-Book erhältlich ist, habe ich alle relevanten Inhalte zur Hörbuchproduktion in Eigenregie zusammengefasst und mit Bildern illustriert.

Einem gut produzierten Hörbuch hört man nicht an, wie komplex der Produktionsprozess dahinter ist. Es soll auf mitreißende Art eine Geschichte erzählen, während die Technik ausgeblendet wird. Die vielen Schritte, die bei seiner Entstehung nötig sind, sollen im Hintergrund bleiben. Damit eine Produktion gelingen kann, müssen viele Faktoren zusammenkommen: passende Technik, eine gute Akustik, eine optimale Vorbereitung des Manuskripts, eine klare Aussprache und Betonung des Sprechers, eine präzise Nachbearbeitung und ein Mastering, das den Anforderungen der gängigen Shops und Portale entspricht. Will man dies als Autor selbst und ohne externe Dienstleister meistern, gilt es schon vor Beginn des Aufnahmen einige essenzielle Fragen zu klären und sich mit den Tücken der Audio-Produktion vertraut zu machen. Dieses Buch soll genau hierbei Hilfe leisten und als Leitfaden alle Grundlagen und Schritte von A bis Z auf verständliche Weise erklären und anhand von Beispielen verdeutlichen. Nach der Lektüre werden Sie fit sein, ins Abenteuer Hörbuchproduktion zu starten.

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