Dies ist Teil 14 meiner neuen mehrteiligen Serie zur professionellen Hörbuchproduktion in Eigenregie. Ab sofort folgen wöchentlich alle weiteren Artikel, die von A bis Z erklären, wie man von der Idee zum fertigen Hörbuch in den Shops kommt. Alle Inhalte sind auch gesammelt als Buch und E-Book erhältlich. Sämtliche Links dazu finden sich auch noch einmal am Ende des Textes.
Geschwindigkeit, Tonhöhe, Dynamik
Ein Text wird erst durch Variationen, durch Kontraste und durch eine sich wandelnde Dynamik interessant. Das kennt man als Schriftsteller von Schreiben bereits, jedoch gilt es für das gesprochene Wort umso mehr. Es ist erforderlich, den Text auch in der Lesegeschwindigkeit und in der Tonhöhe entsprechend zu variieren. Dramatische Passagen eines Textes wird man generell einen Tick schneller lesen, nachdenkliche hingegen etwas langsamer.
Für den kleineren Rahmen eines Satzes gilt das aber genauso. So kann man etwa Einschübe in Sätze schneller sprechen als den Text drumherum, oder aber ein Satzende gezielt verlangsamen. Nebensätze oder Einschübe können auch dadurch abgesetzt werden, dass man sie in einer etwas höheren oder tieferen Tonlage liest und so klar macht, dass dieser Teil nicht zum Hauptsatz gehört.
Beispiel 1 zur Sprechgeschwindigkeit
Folgendes Beispiel könnte man auf verschiedene Arten lesen, jedoch würde es sich anbieten, hier mit dem Faktor Geschwindigkeit zu arbeiten: „Manuel stürmte auf das Tor zu, ohne Abwehrspieler vor sich und mit dem Ball so sicher am Fuß wie nie zuvor – er wusste, seine Pechsträhne würde nun ein Ende nehmen – er schoss, er traf und schrie den Frust der letzten Monate in einem Jubelschrei aus sich heraus.“
Den ersten und letzten Teil des Satzes (kursiv) würde man schneller lesen, weil es eine „Action-Szene“ ist, den Einschub, der so etwas wie ein Rückblick oder ein Gedanke des Spielers ist, kann man dagegen verlangsamen. So entsteht eine spannende Dynamik. Die schnellen Teile wirken im Kontrast zum gebremsten Intermezzo noch dramatischer.
Beispiel 2 zur Sprechdynamik/Stimmlage
Oder aber: „Schon wieder hatte man ihn zum Rapport beim Bereichsleiter zitiert, um seine Zahlen zu prüfen – Sie sollten ihm erst einmal etwas nachweisen! – Und dennoch: Seine Nervosität stieg von Minute zu Minute.“
Hier kann man den eingeschobenen Teil als eine Art inneren Ausruf oder Gedanken des zum Rapport Zitierten verstehen. Man kann hier entweder den vorderen und hinteren Teil in einer ruhigen tiefen Tonlage sprechen und den mittleren etwas höher im Sinne einer aufgeregten Äußerung, oder aber man spricht den mittleren Teil bewusst tiefer und ruhiger, um auszudrücken, dass die Person sich keine Sorgen macht und der Prüfung gelassen entgegensehen will. Dies macht deutlich, dass wir mit der Art und Weise, wie wir einen Text lesen, Einfluss auf die Interpretation beim Hörer nehmen können. Das gilt umso stärker noch für den nächsten Punkt.
Mit der Stimme Emotionen vermitteln
Mit unserem Hörbuch wollen wir (es sei denn, es ist ein Fachbuch), den Inhalt auch emotional vermitteln. Wir können mit unserer Stimme verschiedene Gefühle und Gemütslagen ausdrücken. Wir hören Mitmenschen an, wenn sie bedrückt sind, Angst haben oder sich freuen. Das machen wir ganz automatisch, denn es gehört unterbewusst zur menschlichen Kommunikation. Doch man kann dies mit etwas Übung auch gezielt (quasi auf Abruf) einsetzen. Dass viele Hörbücher von Schauspielern und/oder Synchronsprechern (Synchron-Schauspieler wäre angebrachter) eingelesen werden, kommt nicht von ungefähr.
Wie gut das Vermitteln einer Emotion über die Stimme funktioniert, weiß jeder, der einmal eine Morning-Show im Radio gehört hat. Die Moderatoren klingen, als würden sie permanent bis über beide Ohren grinsen. Auch wenn es in deren Fall vielleicht teilweise aufgesetzt und übertrieben sein mag, können wir dennoch die gleiche Methode für unser Hörbuch nutzen. Also versuchen wir beim Sprechen zu lächeln, wenn es im Text lustig ist. Wenn es gerade traurig ist, machen wir ruhig ein trauriges Gesicht. Es lohnt sich, dies einmal für verschiedene Sätze und Emotionen auszuprobieren und testweise aufzuzeichnen.
Doch auch hier ein Wort der Warnung: Übertreiben Sie es nicht! Weniger ist hier in jedem Fall mehr. Aufgesetztes (schlechtes) Schauspiel kann mehr schaden als nützen. Sie wollen auf keinen Fall, dass Ihr Buch dadurch unglaubwürdig wird. Gleiches gilt auch für den nächsten und letzten Punkt in unserem Crash-Kurs „Sprache und Ausdruck“.
Einsatz verschiedener Stimmen im Hörbuch
Es hat sich in den letzten Jahren ein Trend abgezeichnet, den Charakteren in Hörbüchern verschiedene Stimmlagen und -färbungen zu geben, die dann eine bessere Zuordnung der Sätze in Dialogen, aber auch eine abwechslungsreichere Gestaltung ermöglichen. Gute Hörbuchsprecher wechseln fast mühelos und treffsicher zwischen den einzelnen Stimmen, da sie sie im Kopf „abgespeichert“ haben und jederzeit abrufen können. Sie sollten sich gut überlegen, ob sie dies für Ihr Hörbuch (zumindest zu diesem Zeitpunkt) in Angriff nehmen wollen, denn es ist noch einmal ein gutes Stück anspruchsvoller. Für das erste Buch würde ich raten, dies auf das Mindestmaß zu reduzieren, also möglicherweise nur Frauen und Männer durch eine moderat höhere/tiefere Stimme abzugrenzen oder Kinderstimmen als solche kenntlich zu machen. Sollte in Ihrem Buch natürlich ein Charakter vorkommen, der einen ausgeprägten Sprachfehler oder Dialekt besitzt, ist es sinnvoll, dies in einem für den Hörer noch verständlichen Maß zu integrieren.
Charaktere stimmlich anlegen und gleichmäßig sprechen
Wenn Sie also planen, das Hörbuch mit eigenen „Stimmen“ für jeden Charakter aufzunehmen, sorgen Sie unbedingt für Kontinuität und klare Unterscheidbarkeit, damit der Hörer die Stimmen stets eindeutig zuordnen kann. Da dies relativ anspruchsvoll ist, sollten Sie sich vor dem Beginn der Aufnahmen genau überlegen, wie Sie die einzelnen Charaktere sprechen wollen. Damit sich Stimmen über die Länge des gesamten Buches nicht zu sehr ändern, würde ich zu folgender Vorgehensweise raten: Legen Sie von Anfang an alle Stimmen fest und zeichnen Sie in der betreffenden Stimme kurze Beispielsätze auf wie:
„Bianka Weber spricht so: hoch, nasal, hektisch.“
„Josef Biermann spricht so: schläfrig, bayrisch, betonungsarm.“
Sie können diese Aufnahmen der Sätze in einen eigenen Ordner packen und immer dann kurz anhören, wenn die jeweilige Figur wieder an der Reihe ist. Vor allem, wenn sich der Aufnahmeprozess über längere Zeit erstreckt, und/oder eine Figur nur sporadisch auftaucht, kann diese Gedankenstütze sehr nützlich und vor allem zeitsparend sein.
Das Buch zur Artikelserie
In diesem Buch, das als Taschenbuch, Ringbindung und E-Book erhältlich ist, habe ich alle relevanten Inhalte zur Hörbuchproduktion in Eigenregie zusammengefasst und mit Bildern illustriert.
Einem gut produzierten Hörbuch hört man nicht an, wie komplex der Produktionsprozess dahinter ist. Es soll auf mitreißende Art eine Geschichte erzählen, während die Technik ausgeblendet wird. Die vielen Schritte, die bei seiner Entstehung nötig sind, sollen im Hintergrund bleiben. Damit eine Produktion gelingen kann, müssen viele Faktoren zusammenkommen: passende Technik, eine gute Akustik, eine optimale Vorbereitung des Manuskripts, eine klare Aussprache und Betonung des Sprechers, eine präzise Nachbearbeitung und ein Mastering, das den Anforderungen der gängigen Shops und Portale entspricht. Will man dies als Autor selbst und ohne externe Dienstleister meistern, gilt es schon vor Beginn des Aufnahmen einige essenzielle Fragen zu klären und sich mit den Tücken der Audio-Produktion vertraut zu machen. Dieses Buch soll genau hierbei Hilfe leisten und als Leitfaden alle Grundlagen und Schritte von A bis Z auf verständliche Weise erklären und anhand von Beispielen verdeutlichen. Nach der Lektüre werden Sie fit sein, ins Abenteuer Hörbuchproduktion zu starten.