Dies ist Teil 13 meiner neuen mehrteiligen Serie zur professionellen Hörbuchproduktion in Eigenregie. Ab sofort folgen wöchentlich alle weiteren Artikel, die von A bis Z erklären, wie man von der Idee zum fertigen Hörbuch in den Shops kommt. Alle Inhalte sind auch gesammelt als Buch und E-Book erhältlich. Sämtliche Links dazu finden sich auch noch einmal am Ende des Textes.
Betonungen, Pausen und Stilmittel
Wenn man sich mit dem eher „technischen“ Ablauf beim Sprechen und der richtigen Lautbildung befasst hat, muss man im zweiten Schritt über die Gestaltung des Textes nachdenken. Denn elementar wichtig für ein Hörbuch ist es, dass die Sprache lebendig und abwechslungsreich gestaltet wird. Nur so kann man sichergehen, dass sowohl die Inhalte als auch die Emotionen beim Hörer richtig ankommen. Dazu bedient sich der Sprecher verschiedener Ausdrucksmittel, wie etwa Sprech- und Satzmelodie, Klangfarbe/Stimmfarbe, Lautstärke/Dynamik, Sprechtempo und Pausensetzung. Dies alles dient auch dazu, den Eindruck beim Hörer zu mildern, dass er gerade etwas „vorgelesen“ bekommt. Er soll viel mehr das Gefühl haben, einer Erzählung zu lauschen. Wir alle wissen, wie öde und irritierend es wirkt, wenn etwas „abgelesen“ klingt. Das gilt es zu vermeiden. Man kann sich dazu auch ein imaginäres Publikum oder eine besondere Person vorstellen, der man seine Geschichte erzählt. Das wirkt im Endergebnis sicher lebendiger, als nur das Mikrofon und die Manuskriptvorlage anzustarren.
Vorsicht bei (zu vielen) Kommas im Text
Weiter vorne im Buch hatte ich schon erwähnt, dass die Kommas im Text viele gerade am Anfang dazu verleiten, auch beim Sprechen dort Pausen zu machen. Das kann jedoch schnell dazu führen, dass der Vortrag (unser Hörbuch) abgehackt und unnatürlich wirkt. Wenn wir uns mit anderen Menschen im Gespräch unterhalten, achtet niemand darauf, seine Sätze durch „kommagerechte“ Pausen zu gliedern. Wir sprechen einfach. Und einen ähnlichen Redefluss wollen wir auch beim Einlesen des Hörbuchs erreichen. Daher kann man Kommas im Manuskript im Grunde weitgehend ignorieren – oder gar so weit gehen, sie in der Manuskriptvorbereitung gänzlich zu entfernen. Wir müssen uns stattdessen angewöhnen, alles, was sinngemäß zusammen gehört, auch zusammen zu lesen und Pausen nur dort zu setzen, wo ein neuer Gedanke beginnt (oder zwei Hauptsätze mit einander verbunden sind). Pausen können auch dort sinnig sein, wo wir etwas dramatisch betonen möchten – aber die meisten werden wohl zustimmen, dass ein Komma nur in den seltensten Fällen dramatisch betonungswürdig ist.
Betonungen liefern Anhaltspunkte
Betonungen sollen dem Hörer Anhaltspunkte liefern, was in einem Satz wichtig ist und es ihm so leichter machen, dem Sprecher zu folgen. Da er nur die Stimme hat und keine anderen Reize, wie etwa Bilder in einem Buch oder Filmsequenzen im Kinofilm, muss die mittels Sprache transportierte Information so klar wie möglich sein. Deshalb muss man sich in jedem Satz fragen: Was ist seine Essenz? Welche Schlüsselwörter könnte man keinesfalls weglassen? Man kann sich dazu des Umwegs über eine Zeitungsüberschrift bedienen. Dort wird der absolute Kern einer Botschaft auf wenige Wörter kondensiert.
Nehmen wir etwa diese Nachricht:
„In Berlin-Spandau kam es am Sonntagvormittag zu einem schweren Verkehrsunfall, bei dem zehn Autos kollidierten und acht Menschen teilweise schwer verletzt wurden“.
Die Überschrift wäre: „(Schwerer) Verkehrsunfall in Spandau“.
Verkehrsunfall und Spandau sind die beiden wichtigsten Wörter, denn sie machen klar, was passiert ist und wo es passiert ist. Die Steigerung zu „Schwerer Verkehrsunfall“ dramatisiert und macht klar, dass nicht nur zwei Wagen an der Kreuzung aufeinander aufgefahren sind, sondern mehr passiert ist. Im folgenden Nebensatz wären die Zahlwörter „zehn“ und „acht“ dann das Besondere, welches wir hervorheben würden.
Damit ist schon das zweite wichtige Kriterium eingeführt: Was ist das Besondere im Satz? Darauf können wir dann weitere (Neben-)Betonungen legen. Man sollte jedoch vermeiden, Adjektive, Verben/Adverbien oder Zeitangaben überzubetonen. Für den obigen Beispielsatz wäre folgende Betonung unnatürlich und für den Hörer verwirrend: „In Berlin-Spandau kam es am SONNTAGVORMITTAG zu einem SCHWEREN Verkehrsunfall, bei dem zehn Autos KOLLIDIERTEN und acht Menschen teilweise schwer VERLETZT wurden.“
Nehmen Sie doch einmal beide Varianten auf und hören Sie diese nacheinander zum Vergleich an. Sie werden feststellen, dass die falsch betonte Version es viel schwerer macht, die Information zu erfassen. Solche Betonungen ergeben nur Sinn, wenn man auf einen besonderen Umstand, einen Gegensatz oder eine Abweichung von der Regel hinweisen will, etwas so: „Harald hatte einen ECKIGEN und Peter einen RUNDEN Hut auf.“
Was für dieses eher nachrichtliche Beispiel gilt, kann ganz genauso auch auf Sätze aus der Belletristik übertragen werden, denn auch hier werden Informationen vermittelt und Geschichten erzählt. Dazu findet sich im Abschnitt „Manuskriptvorbereitung“ noch ein Beispiel, in dem ich exemplarisch die Betonungen in einem Romantext markiert habe.
Das Buch zur Artikelserie
In diesem Buch, das als Taschenbuch, Ringbindung und E-Book erhältlich ist, habe ich alle relevanten Inhalte zur Hörbuchproduktion in Eigenregie zusammengefasst und mit Bildern illustriert.
Einem gut produzierten Hörbuch hört man nicht an, wie komplex der Produktionsprozess dahinter ist. Es soll auf mitreißende Art eine Geschichte erzählen, während die Technik ausgeblendet wird. Die vielen Schritte, die bei seiner Entstehung nötig sind, sollen im Hintergrund bleiben. Damit eine Produktion gelingen kann, müssen viele Faktoren zusammenkommen: passende Technik, eine gute Akustik, eine optimale Vorbereitung des Manuskripts, eine klare Aussprache und Betonung des Sprechers, eine präzise Nachbearbeitung und ein Mastering, das den Anforderungen der gängigen Shops und Portale entspricht. Will man dies als Autor selbst und ohne externe Dienstleister meistern, gilt es schon vor Beginn des Aufnahmen einige essenzielle Fragen zu klären und sich mit den Tücken der Audio-Produktion vertraut zu machen. Dieses Buch soll genau hierbei Hilfe leisten und als Leitfaden alle Grundlagen und Schritte von A bis Z auf verständliche Weise erklären und anhand von Beispielen verdeutlichen. Nach der Lektüre werden Sie fit sein, ins Abenteuer Hörbuchproduktion zu starten.