Das Thema Plotter versus Bauchschreiber treibt die Autoren-Community immer wieder um. Erst kürzlich kam wieder die Diskussion auf: Welcher Typ bin ich eigentlich? Welche Methoden gibt es? Was ist richtig, was ist falsch? Und ziemlich schnell kommt man natürlich zur Erkenntnis: Richtig und falsch gibt es nicht. (Audio-Version des Beitrags am Ende des Artikels.)
Was einem liegt und was nicht
Es gibt Sachen, die einem liegen und Sachen, die einem nicht so liegen, und oft wandelt sich das auch mit der Zeit. Je öfter man schreibt, je mehr Bücher man rausbringt, desto mehr kristallisiert sich ein eigener Prozess heraus, nach dem man seine Geschichten entwickelt und sie vorantreibt im Schreibprozess. Und dabei lotet man natürlich auch aus, was funktioniert für einen und was funktioniert für einen nicht so gut. So war es auch bei mir am Anfang. Gerade beim ersten Roman habe ich in typischer Bauchschreiber-Manier einfach drauflos geschrieben. Ich habe eine krude Idee im Kopf gehabt und fand die irgendwie witzig und spaßig und dachte, das taugt vielleicht für eine längere Geschichte. Und dann hat es über zwei Jahre gedauert, bis daraus ein fertiges Buch geworden ist. Ein langer, quälender Prozess voller Irrungen und Wirrungen – was jetzt bei dem Buch nicht so schlimm war, weil es für sich genommen auch sehr wirr ist.
Ein bisschen Struktur braucht man
Dann beim zweiten Buch habe ich gemerkt: Nee, so lange darf es nicht mehr dauern, ein bisschen Struktur brauchst du. Und das hat sich immer weiterentwickelt, so dass ich mehr und mehr Elemente der Planung in meinem Prozess eingebaut habe. Bis hin zu einem Buch, wo ich dann schon so ungefähr 60 Prozent vorgeplant hatte und festgestellt habe: So richtig Spaß macht mir das nicht. Aber es macht die Sache einfacher.
Was will ich eigentlich damit sagen? Mittlerweile bin ich an dem Punkt angekommen, wo ich bei meinen eher komplizierten Geschichten darauf achten muss, dass ich mich nicht verzettele. Reines Bauchschreiben funktioniert einfach nicht mehr. Dann ist man schnell im Dilemma.
Experiment Schneeflockenmethode
Ich habe Ende des vergangenen Jahres, nachdem ich das letzte Manuskript fertig hatte, gedacht: Jetzt versuchst du mal was Neues und nimmst dir diese Schneeflocken-Methode vor. Aber das bleibt da auch nicht bei diesen 5 Sätzen, die man anfangs hat. Sondern man entwickelt für jeden Hauptcharakter sozusagen eine Zusammenfassung der Geschichte und baut diese 5 Sätze zu weiteren Absätzen aus und dann bis zu jeweils einer Seite. Wie eine Schneeflocke wächst das Konstrukt und am Ende hat man ein einige Seiten starkes Dokument, in dem die Geschichte aus verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet ist. Alle Wendepunkte, das Ende und dergleichen sind enthalten. Man hat einen ziemlich guten Eindruck davon, was in diesem Buch passiert, wann und wie und warum.
Und das ist natürlich eine gute Sache. Ich habe das alles auf kleine Zettelchen geschrieben und an meine Pinnwand gepinnt und auch nochmal organisiert und umgestellt und ergänzt. Dann stehe ich jetzt vor meiner Pinnwand und denke mir: Das ist echt ne coole Story, eine gute Geschichte, das hat Hand und Fuß, da ist Spannung drin. Das sind interessante Charaktere und ich glaube, es könnte Spaß machen, das zu lesen.
Aber übers Davorstehen bin ich noch nicht hinausgekommen, weil ich irgendwie denke, ich weiß jetzt schon alles über die Geschichte. Irgendwie kenne ich die Story schon, ich habe die Charaktere kennengelernt. Wo gibt es denn da jetzt noch was zu entdecken? Das ist für mich die Crux dabei, ich habe irgendwie nicht den richtigen Schub anzufangen. Weil ich ja schon weiß, was passiert.
Die Geschichte beim Schreiben entdecken
Es mag jetzt ein bisschen komisch klingen, aber ich habe immer das Bedürfnis, die Geschichte, während sie entsteht, auch selbst zu entdecken. Ich bin Autor und Leser gleichermaßen. Ich brauche die Überraschung. Das hindert mich nun, weil ich vor diesem ganzen Konstrukt stehe und denke: Ist da noch genug übrig, das ich entdecken kann? So dass es mir auch Spaß macht, ein ganzes Buch zu schreiben.
Natürlich: Realistisch betrachtet ist so ein Plot (und alles, was ich jetzt vorgearbeitet habe) noch nicht die Geschichte, da sind keine Dialoge, das ist kein Witz, da ist kein keine wirkliche Action, das ist nur das Gerüst, das es zu füllen gilt. Aber irgendwie fehlt der Motivationsschub, den ich brauche, um anzufangen, um mich reinzustürzen in die Story.
Diesen Impuls gibt es jetzt nicht, weil ich weiß jetzt quasi schon, wie tief das Becken ist, in das ich rein springe. Wie breit ist es, wie weit muss ich ungefähr schwimmen? Sind Haie drin oder nicht? Na gut, vielleicht ist es auch eher ein trüber See, wo man nicht weiß, was unter der Oberfläche schwimmt, aber trotzdem habe ich mich noch nicht durchgerungen, zu springen. Was sagt das jetzt über mich aus? Bin ich jetzt ein Plotter oder bin ich ein Bauchschreiber?
Grundplottender bauchschreibender Autor
Ich glaube, ich bin ein grundplottender bauchschreibender Autor. Ich weiß zwar immer noch nicht, was das bedeuten soll, aber ich brauche wohl irgendwie das gewisse Maß an Ungewissheit, um dann nachher noch kreativ zu werden während des Schreibprozesses. Eine interessante Erkenntnis, die sich jetzt erst verfestigt, wo ich diese Zeilen schreibe.
Ich schaue gerade rüber zu der Pinnwand, wo die vielen bunten Zettelchen hängen und denke mir, das kann man auch nicht unerzählt lassen. Also werde ich vermutlich irgendwann in diesem Jahr den Schweinehund überwinden und einfach mal anfangen, zu schreiben. Weil ich weiß ganz genau: Wenn ich erstmal angefangen hab, bringe ich es zu Ende, das muss ich machen. Es ist schon komisch, da kann man als Autor nicht anders, selbst wenn man sich vorgenommen hat, jetzt erstmal aufzuhören und nichts zu machen. Irgendwie will die Geschichte trotzdem raus.
Ich bin gespannt, was ihr so denkt. Lasst mir gerne den einen oder anderen Kommentar da. Oder sagt mir, dass ich total verrückt bin und das alles künftig besser machen muss. Das ist auch OK. Bis zum nächsten Mal an dieser Stelle oder ganz woanders!
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