Schreiben im Puzzleformat

Quelle: Pixabay

Gerade sitzt man im Zug, starrt auf die letzten geschriebenen Zeilen des Manuskripts und fragt sich, was riecht denn hier so komisch? Nein, im Grunde fragt man sich schon seit Tagen: Worum zum Henker geht es in diesem Buch, das du da schreibst, überhaupt? Ergibt das alles Sinn? Und dann ist es plötzlich da, wie aus dem Nichts aufgetaucht: das Puzzleteil, das den Anfang auf wundersame Weise mit dem Ende verbindet. Aber der Reihe nach…

Jeder, der schon einmal meinen Schreibtisch (und das Drumherum) gesehen hat, wird bestätigen: Ordnung ist nicht mein Ding. Der Euphemismus dazu lautet landläufig „Kreatives Chaos“. So ist es kaum verwunderlich, dass ich auch beim Schreiben meiner Romane mit dem Plotten auf Kriegsfuß stehe. Und dabei habe ich es wirklich versucht! Aber es war eine Qual, denn meistens hielten sich die Figuren (die wohl zu viel meines chaotischen Charakters geerbt haben) nicht an den Plan. Und ich musste mehrfach alles umwerfen. Zum Ende bin ich trotzdem gekommen, weil ich trotz des kreativen Chaos‘ die Dinge einfach immer zu Ende bringen will. So auch das „geplottete“ Buch Nummer 3, das in Kürze erscheinen wird

Back to the roots

Bei Buch Nummer 4, das gerade entsteht, bin ich wieder zu den Anfängen zurückgekehrt. Ich hatte lediglich eine bestimmte Szene im Kopf, einen Schauplatz, eine Figur. Und nur eine ganz vage Vorstellung davon, was vielleicht passieren könnte. Es hat mit einem Alien zu tun, so viel sei verraten, aber auch das ist bekanntlich ein unendlich weites Feld. Ich schrieb die Szene. Dann eine zweite, eine dritte und so weiter. Figuren tauchten auf, von denen ich selber nicht genau wusste, woher sie kamen, aber sie fühlten sich gut an, verschroben und doch irgendwie authentisch, so wie ich es mag. Die Handlung nahm ihren Lauf, ohne zu wissen, wo sie enden wird. Und dann, bei circa 15.000 Wörtern – und damit nach vielen Stunden vor dem Rechner – kam der Zweifel. Funktioniert das? Sollte ich nicht langsam wissen, wohin das alles führt? Und ist das wirklich so eine gute Idee, ins Blaue hinein zu schreiben? Vielleicht sollte ich es nochmal mit dem Plotten… Ich verwarf den Gedanken. Dennoch musste ich einsehen: Es wird langsam mühsam und quälend, weiter zu schreiben. Denn ohne Ziel ist es so eine Sache mit der Motivation.

Und dann kam diese Fahrt im Regionalzug. Es roch nach Bulettenbrötchen, Bier und Döner. Weil immer irgendein Idiot meint, im Zug Döner essen zu müssen. Egal. Ich starrte auf die Zeilen und grübelte, was ist es, das meiner Geschichte noch fehlt? Wo ist der inhärente Zusammenhang? Und da trieb das fehlende Puzzleteil aus dem Unterbewusstsein endlich nach oben und fügte sich in die Story. Ich erkannte, dass sich zwei Elemente meiner Geschichte damit auf eine logische und vergleichsweise elegante Weise verbinden ließen. Es ging um die Lebensumstände des einen Protagonisten und das Mittel, dass letztlich zur Rettung vor der drohenden Gefahr dient. Jenes ergibt sich nun aus dem eigentlich unscheinbaren Background des Protagonisten und bildet einen Gegenpol zum dringenden Bedürfnis des Aliens. Es tut mir Leid, dass es jetzt so unkonkret klingt, aber das Buch ist noch nicht fertig, und außerdem möchte ich den Zusammenhang erklären.

Ode an das Unterbewusste

Ich hatte also ganz zu Beginn unterbewusst eine Figur kreiert, die von Haus aus schon das Mittel zur Rettung besitzt, aber weder diese Figur, noch ich als Autor, wussten das bis zu dem Moment im Zug. Solche Erfahrungen stützen meine Theorie, dass man Bücher eigentlich aus dem Unterbewusstsein heraus ersinnt. Das Puzzleteil war nun an der richtigen Stelle. Und direkt danach ergaben sich weitere kleine Puzzleteile der Story, die ich notierte. Das ist meine Minimalform des Plottens, zu der ich mittendrin irgendwann übergehen. Es sind nur Meilensteine, elementare Ereignisse. Und ob sie alle so bleiben oder dann meilenweit vom Weg weg entfernt liegen, wenn ich dort ankomme, ist eine andere Frage. Sofort war auch die Motivation wieder da: Ja, es wird klappen, die Story ist gut. So ist sie rund, so schaffe ich es, sie zu Ende zu schreiben. Obwohl mir klar ist, dass noch tausend Teile meines Roman-Puzzles fehlen. Falls es wieder stockt, muss ich einfach wieder mehr Zug fahren.

Was ist eure Herangehensweise? Denkt über euren Schreibprozess nach? Könnt ihr erklären, warum etwas passiert? Oder seid ihr nüchterne Analytiker und Planer? Wer mag, poste gerne seine Meinung dazu. Ich bin gespannt.

Schreib einen Kommentar