Masse, Klasse, Kasse

Der Verleger in mir meldet sich: „Deine Verkaufszahlen könnten besser sein.“
Der Autor in mir antwortet: „Da pfeife ich drauf.“
Der Verleger sagt: „Dann gibt‘s aber kein Geld.“
Der Autor sagt: „Ich bin Künstler, das ficht mich nicht an!“

Dieser interne Dialog zeigt: Als Selfpublisher sitzt man oft zwischen den Stühlen. Man erledigt alles in Personalunion. Und nicht selten streiten sich die einzelnen Rollen. Man ist Autor und Verleger, Layout-Experte und Marketingprofi, kreativer Kopf und Buchhalter. Viele meistern diese extreme Kombination gut, aber es ist sicher nicht immer einfach. Zeit für eine pseudo-philosophische Betrachtung.

Gut gemeint, gut geweint

Beginnen wir mit dem Anstoß zu diesem Text. Der liegt im Internet – auf unzähligen Seiten von POD-Dienstleistern, Vertrieben, E-Book-Experten, Bloggern und Autoren. Alle geben gern Ratschläge, wie man mit seiner Veröffentlichung „erfolgreich“ sein kann. Oder aber sie warnen vor Fallstricken.

Es beginnt mit Fragen wie: Welche Faktoren machen ein gutes Buch aus? Wie kommt mein Buch zum Leser? Wie überzeuge ich meinen lokalen Buchhändler? Welche Fehler sollten Selfpublisher vermeiden? Und Unzähliges mehr…
Es finden sich im Netz aber auch selbstmitleidige Artikel, deren unterschwellige Botschaften eher lauten: Warum nimmt mich keiner ernst? Wieso kauft niemand mein Buch? Wieso sind alle Leser dumm? (Nur ganz leicht übertrieben dargestellt.)

Die erstgenannten Hinweise sind oft nützlich, denn man kann (gerade am Anfang) beileibe nicht alles wissen und kann nur dankbar sein für die Tipps erfahrener Selfpublisher. Aber man sollte immer kritisch hinterfragen, was einem empfohlen wird. Ergeben diese Ratschläge für mich und für das, was ich schreibe, Sinn? Sollte ich es auch so angehen wie empfohlen oder muss ich meinen eigenen (vielleicht steinigen) Weg beschreiten? Und man sollte sich als Autor und Selfpublisher ernsthaft die Frage stellen: Wie definiere ich für mich „Erfolg“?

Was ist „Erfolg“?

Unterbewusst setzen viele „Erfolg“ mit kommerzieller Verwertbarkeit und einer guten Position im Verkaufsrang gleich. Zumindest der Verleger und der Marketingexperte in einem tun das. Der Autor freut sich eher über eine E-Mail eines Lesers, der ihm Feedback gibt oder über eine ehrliche Rezension, die ihm womöglich beim weiteren Schreiben noch nützlich sein kann. Ich muss gestehen, dass es mir nicht immer leicht fällt, sofort eine Priorität zu setzen. Man ist versucht, den angeblich harten Fakten wie etwa Verkaufszahlen eine Bedeutung zuzumessen, die ihnen nicht zusteht. Zumindest nicht aus künstlerischer Sicht.

Aber genau darauf zielen viele Ratschläge ab, die man liest. Man soll vom Endergebnis her denken, vom „Produkt“. Was erwartet der Leser heute von einem Buch? Von einem Autor? Von einem professionellen Auftreten im Netz? Definieren deine Zielgruppe! Erschließe den Markt. Erarbeite eine Strategie! Dem Autor stellen sich die Nackenhaare auf.

Der Geist ist willig, das Marketing schwach

Jeder hat seine Stärken und Schwächen. Bei vielen Autoren wird es ähnlich sein wie bei mir. Sie konzentrieren sich am liebsten auf das Schreiben, weil ihnen das Spaß macht. Buchhaltung und Klinkenputzen kotzen sie dagegen an. Das ist nur natürlich. Man wird normalerweise nicht Autor, weil man Marketing so supidupiknorke findet. Die eingangs erwähnte Personalunion kann dann schon mal zum Problem werden.

Etwa, wenn der kleiner Verleger in einem sich wieder meldet und darauf verweist, dass die Platzierung im Shop besser sein könnte.
Dann schreit der Autor in mir: „Weiche, Ketzer! Hinfort mit deiner profanen Unbill. Ich bin Künstler, ich erschaffe Welten und erwecke Fantasien zum Leben.“ (Zwinkersmiley einfügen).
Der kleine miesepetrige Verleger in mir sagt: „Ja, aber an den Tipps ist was dran. Du solltest mehr über die Vermarktung nachdenken und deine Bücher besser planen, damit sie dem breiten Publikum zusagen.“
In dem Moment schreit der Autor: „Fuck you, ich kündige!“
Und der Verleger sagt: „Schön, aber deine Tantiemen bleiben hier.“
Am Ende raufen sie sich doch zusammen. Weil es als Selfpublisher gar nicht anders geht.

Worauf will ich hinaus? Auf die Frage, ob es zwangsläufig Selbstverwirklichung versus Massengeschmack heißen muss. Sollte ich beim Schreiben immer mitdenken: Was erwartet der Markt? Das will ich als Autor eigentlich nicht, denn dann habe ich Schranken im Kopf und unterwerfe meine Geschichte unterbewusst oder bewusst einer Konformitätserklärung.
Der Autor protestiert: „Warum zur Hölle sollte ich das tun?“
Der Verleger sagt: „Damit ich am Ende mehr Bücher verkaufe.“
Der Autor meint: „Ich will lieber Anerkennung.“

Massenkompatibel individuell

Dem Autor geben Forderungen recht, die häufiger zu lesen sind: Sei frisch, ungewöhnlich, authentisch, schreib das Buch, das du gern lesen möchtest. Denn der Inhalt ist das Wichtigste. Du musst weg von der generischen Massenware!

Andererseits ist nicht zu leugnen, dass ein Buch, das extrem von den Konventionen abweicht, es vermutlich schwer hat, mehr als eine Handvoll Leser zu gewinnen. Und wenn ein Buch im Shop nicht gefunden wird oder sein Cover und Klappentext furchtbar sind, wird es ebenso nicht gelesen. Das will ein Autor auf keinen Fall. Denn ohne Leser lohnt sich das Autorendasein nicht einmal ideell. Und mit Anerkennung wird es auch schwer. Es kann also nur ein Kompromiss sein, wie so oft im Leben. Das muss ja nicht heißen, künftig nur noch zu schreiben, um einer wie auch immer definierten Zielgruppe gerecht zu werden. Es kann einfach nur bedeuten, ein Mindestmaß an Konvention im Hinterkopf zu haben, was die Leserschaft zu würdigen weiß.

Davon abgesehen, muss mann sich bei seinem Schaffen zu allererst auf das besinnen, was einem wichtig ist. Rankings bei großen Online-Shops sagen nicht unbedingt etwas über dich als Autor und die Qualität deines Buches aus. Wie könnten sonst Ratgeber á la „Werde reich mit fettarmer Ernährung“ 216 positive Rezensionen und das Prädikat „Bestseller“ bekommen? Man darf sich von so etwas nicht irritieren lassen.

Vertragt euch gefälligst!

Selfpublishing bietet viele Freiheiten und Vorzüge, das sollte man zu schätzen wissen. Man ist flexibel, schnell und verdient pro verkauften Buch theoretisch mehr als mit einem Verlagsvertrag (wenn es sich denn verkauft). Wichtig ist, den inneren Zwiespalt in den Griff bekommen.
Der kleiner Verleger sagt: „Eine weise Schlussfolgerung.“
Und der Autor sagt: „Ich hol mir ein Bier.“
Dann geht alles besser.

In diesem Sinne: Prost und Happy Publishing.

 

2 Kommentare

  1. Ein Beitrag, den ich sehr, nun ja, erfrischend finde. Mir sind dazu tatsächlich während des Lesens einige Gedanken eingefallen, sie dann hier nieder zu schreiben, empfand ich in dem Moment als schwierig 🙂
    Ich spiele ja schon lange mit dem Gedanken, einen Portrait-Band zu veröffentlichen (vermutlich kannst du dir denken, worum es da gehen würde) bin aber aus eben diesen, für mich sicher nicht so zwingenden Gründen, zurückhaltend. Vielleicht können wir uns bei Gelegenheit mal bei einem Bier unterhalten. Ich würde mich freuen

    1. Bier ist immer eine gute Basis für ein Gespräch. Nur weiß ich nicht, wann sich dazu Gelegenheit ergibt.
      Bildband ist vom Druck her natürlich nicht gerade günstig. Print-on-demand kann da schnell utopisch werden, so dass es für Käufer einfach zu extrem wäre. Aber es ist eben auch hier die Frage, für wen man es macht. Wenn du über die Bands und Konzertveranstalter ein kleines “Vertriebsnetz“ aufbaust, könnte sich vielleicht ne Auflage lohnen. Aber man muss in Vorleistung gehen. Vielleicht können wir es wirklich mal an anderer Stelle vertiefen. Beste Grüße!

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